Aktuell
Am 13. Oktober 2023 hatte die Kolpingsfamilie Mülheim zu einem Vortrag mit anschließendem Gespräch zum Thema:
„Vom Essigdoktor zum Architekten Johann Claudius von Lassaulx"
Hier ein Bericht zu dieser Veranstaltung
Oswald Senner präsentierte das Leben und die Werke des genialen Künstlers aus Anlass seines 175. Todestages
Sein Geburtshaus steht heute noch. Es ist das berühmte Lassaulx`sche Haus, Ecke Clemensstraße/Poststraße in Koblenz. Hier wurde er 1781 als Ältester der Familie mit acht Kindern geboren. Er sollte ins Kloster und wurde mit 9 Jahren Kanoniker am Koblenzer Florins Stift, machte später Abitur an der Jesuitenschule (heute Görres-Gymnasium) und ging zum Studium nach Würzburg. Dort studierte er 3 Semester Jura und 11 Semester Medizin und kehrte dann ohne Abschluss mit seiner Verlobten Maria Müller in sein Elternhaus in Koblenz zurück. Nach der Heirat wurden der Familie 9 Kinder geboren. Die frühe Heirat zwang ihn, schnell eine Existenz aufzubauen. Er übernahm u. a. die Essigfabrik seines Vaters in Lützel und firmierte als „Fabricant de vinaigre“ und andere Gelegenheitsarbeiten auf dem Bau. Vor allem verstand er es, den Bauleuten über die Schulter zu schauen und sich entsprechende Fähigkeiten anzueignen.
Eine für 12 Jahre mietfreie Wohnmöglichkeit für seine Familie schuf er, indem er später in seinem Berufsleben den Bassenheimer Hof der Waldbotts in der Koblenzer Weißergass um einen Gebäudeflügel erweiterte, um dort zu wohnen. Später baute er in der Koblenzer Schlossstraße 9 auf einem sehr schmalen Grundstück (6,65 m an der Schlossstraße, 14,05 m breit an der Stegemannstrasse, und 14,23 m tief) ein vierstöckiges Wohnhaus, das ein Zeugnis seines Schaffens darstellte. Beide Häuser sind Opfer der Bombenangriffe in Koblenz geworden.
Dem Einfluss befreundeter Familien wie Settegast, Dietz und Görres verdankte er es, dass ihm die Franzosen das Amt des Kreisbaumeisters antrugen. Er nahm das Amt auf Drängen seines Verwandten Josef Görres an und sagte später, dass er „einige Böcke“ schoss. Aber er war ein geniales Naturtalent und entwickelte neue Vorstellungen bei seinen Bauplanungen und erweckte mittelalterliche Merkmale wieder zu neuem Leben.
Mit der Einführung der Schulpflicht entstand ein großes Bedürfnis entsprechende Unterrichtsmöglichkeiten zu schaffen. Er plante allein 52 Schulen u. a. in Mülheim, Kärlich, Bubenheim, Dieblich, Treis, Bassenheim, Ochtendung, Koblenz, Weitersburg, Nickenig, Winningen, Kobern, Kirchwald. Er plante über 20 Kirchen und Kapellen u. a. in Vallendar, Güls, Ernst/Mosel, Nickenig, Kruft, Polch, Kapellen-Stolzenfels, Kobern, Treis, Weißenthurm, Guter Mann Kärlich, Waldesch, Hambach, Georgs-Kapelle auf Alter Friedhof Bonn und Pfarrhäuser z. B. in Kettig, Rübenach und Koblenz. Gestaltet hat er z. B. den Ausbau des oktogonen Turmes der Stein`schen Residenz in Nassau, des Schlosses Stolzenfels, der Matthias Kapelle in Kobern-Gondorf, die Burg Rheineck, die Friedhofkapelle in Koblenz, den ehemaligen Königsstuhl von Rhens und die Grabkapelle des Freiherrn vom Stein in Frücht.
Als Baumaterialien verwendete er vorrangig heimische Baustoffe wie z. B. Schaumlava (Krotzen), Basalt, Tuff, Schieferbruchsteine. Rundbogenfriese wurden zu seinen baulich charakterlichen Eigenschaften. Rosetten- und Rundfenster, Landwehrkreuze (z. B. Vallendar, Nickenig) und Mosaikböden aus Backstein und Marmor (Matthias-Kapelle Kobern) und sechseckige Fliesen mit Rautenmuster (Bendorf-Sayn und Kapelle Burg Rheineck) waren seine Besonderheiten.
Der Referent wusste auch zu berichten, dass Lassaulx gute Beziehungen zur Sayner Hütte pflegte, die gusseiserne Wendeltreppen, Tore und betende Engel für die Kopfstücke von Kirchenbänken lieferte.Unter Vertrag des Architekten stand auch der Koblenzer Maler Johann Baptist Bachta, ein Schüler von Januarius Zick, der Tafelbilder von Evangelisten für Kanzeln fertigte. In diesem Zusammenhang ist die Geschichte der Bilder aus der Kirche von Kapellen-Stolzenfels interessant. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurde die Kanzel abgerissen. Die Bilder der Evangelisten wurden verkauft und tauchten Jahre später wieder im Kunsthandel in Wien auf, worauf die Pfarrei in Kapellen-Stolzenfels drei der Bilder wieder zurückkaufte. Es fehlte allerdings das Bild des Evangelisten Lukas.
Bereichert hat Lassaulx viele Kirchen mit alten Glasbildern aus aufgehobenen Klosterkirchen, die nach der Auflösung von Klöstern durch Napoleon privat erworben wurden und die Lassaulx wiederverwendet hat.
Besonders hervorzuheben ist Lassaulx´s Einsatz für die Pfarrei in Weißenthurm. Nach Loslösung von der Mutterpfarrei Kettig verfügte sie nur über bescheidene Mittel zur Finanzierung einer eigenen Kirche. Spenden auch von außerkirchlichen Stellen der Neuwieder Rheinseite trugen mit dazu bei und Johann Claudius von Lasaulx als Bauplaner verzichtete sogar auf ein Honorar. Im Gegenzug erhielten er und seine Familie ein Ehrengrab auf dem Weißenthurmer Friedhof. Hier hat auch Ordensschwester Amalie, die Tochter des Architekten, die dem römischen Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes widersprochen hat und deshalb aus dem Orden ausgeschlossen wurde, ihre letzte Ruhe gefunden.
Zitiert wurden zum Schluss Experten, die damals und heute meinten und meinen, dass Johann Claudius von Lassaulx schon zu Lebzeiten als der hervorragende Baumeister am Mittelrhein galt. Künstlerisch hoch begabt und doch von der Ausbildung ein Dilettant, hat er Bauwerke geschaffen, die heute wie damals den Betrachter fesseln.
Bilder von oben nach unten:
- Landwehrkreuz im alten Friedhof Bonn
- Mosaikboden in der Matthias-Kapelle in Kobern Gonbdorf
- Sechskant Fliesen aus Bendorf-Sayn
- Volksschule Bassenheim
- Kapelle am Guten Mann mit ehemaligem Kühlturm des AKW
- Plan der ehemaligen Weißenthurmer Kirche